Film mit Einführung und Diskussion
(Spielfilm | Regie: Fritz Lang | D 1933 | 115 Min. | deu)
Angst ist bekanntermaßen ein schlechter Ratgeber. Vor allem, wenn es – wie heute mehr denn je – um die Herausbildung aufgeklärter, mündiger Persönlichkeiten, die engagierte Verwirklichung humaner Ansprüche und die demokratische Gestaltung eines friedlichen, sozial gerechten, menschenwürdigen Daseins im globalen Maßstab geht. Allgemeine Bedrohungsszenarien sind dazu angetan, die Sinne zu vernebeln, die Ansprüche auf die unmittelbare Existenzsicherung zu reduzieren und alternierende Gestaltungsmöglichkeiten aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Ihr gezieltes Schüren ist aus diesem Grunde seit jeher ein beliebtes Herrschaftsinstrument – besonders in Zeiten, da Konkurrenz, Ausbeutung und soziale Ungleichheit massiv in Frage stehen. Die Personengruppen und Umstände, denen eine solch unkontrollierbare Gefährdungswirkung zugeschrieben werden kann, sind zum Erreichen des je subjektiven Verhaftetbleibens im krisenhaften „Hier und Jetzt“austauschbar: „Das todbringende Virus“, „der kriegslüsterne Russe“, „der kriminelle Ausländer“, „der umstürzlerische Kommunist“. Den größten ideologischen Profit aus solchen Narrativen ziehen diejenigen, deren Herrschaftsanspruch sich vollständig auf Angst gründet: die extreme Rechte. Sie leben von der Angst, insbesondere der vor ihnen selbst.
Einen höchst weitsichtigen, aufklärerischen und streitbaren Beitrag zur konsequenzenreichen Reflexion dieser Zusammenhänge bildet das 1933 veröffentlichte, noch im selben Jahr vom späteren NS-Propagandaminister Goebbels verbotene, Meisterwerk des Kriminalfilms „Das Testament des Dr. Mabuse“ von Fritz Lang.
Schon die Eingangsszene ist eine packende Ouvertüre für das Gesamtthema: ein Mann flieht in Todesangst vor einer nicht näher bestimmbaren Zahl von Verfolgern. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um den unehrenhaft entlassenen Kriminalermittler Hofmeister, der einer anonymen Verbrecherorganisation auf den Schlichen ist. Es gelingt ihm noch, seinen früheren Chef, den Hauptkommissar Lohmann zu kontaktieren, bevor er scheinbar spurlos verschwindet. Mit den bruchstückhaften Informationen nimmt Lohmann die Ermittlungen auf, die ihn immer wieder zu einer Nervenheilanstalt führen, in der der geistig umnachtete Dr. Mabuse einsitzt. Ein früherer Arzt, Hypnotiseur und Krimineller, der nur noch wirre, kaum Sinn ergebende Pläne auf Papier kritzelt, die der faszinierte Anstaltsleiter für seine wissenschaftlichen Forschungen zu deuten versucht. Obwohl Mabuse keinen Kontakt zur Außenwelt hat und zwischenzeitlich verstirbt, handelt die Verbrecherorganisation exakt nach seinen Vorstellungen, die, wie der Zuschauer aus seinem Testament erfährt, auf die Errichtung einer umfassenden „Herrschaft des Verbrechens“ gerichtet sind. Sie geht dabei so akribisch, planvoll und skrupellos vor, dass zunächst keinerlei Informationen nach außen dringen. Obwohl keiner von ihnen den Zweck der Taten begreift, scheinen alle Beteiligten dem Geist Mabuses zu folgen. Lohmann, der dem Hokuspokus wenig abgewinnen kann, gelingt es schließlich mit scharfem Verstand, reichlich unkonventionellen Methoden und sich zunehmend auftuenden Mitstreitern, das Geheimnis hinter dem unheilbringenden Brandstiftertum zu lüften.
Das Finale wirkt dabei wie eine Mahnung – auch für die heutige Zeit: die Akteure einer verbrecherischen Gewaltherrschaft, wie sie der deutsche Faschismus darstellte, mögen unschädlich gemacht werden können. Um seinen (Un-)Geist unschädlich zu machen, bedarf es jedoch mehr als das.
Der Film selbst gibt auf die Frage nach diesem „Mehr“ keine abschließende Antwort. Mit den geschichtlichen Erfahrungen der Befreiung von 1945, den in UN-Charta, allgemeiner Erklärung der Menschenrechte und ursprünglichem Grundgesetz gefassten Ansprüchen an eine zivile, sozial gerechte und kulturell aufgeklärte Entwicklung der Welt sowie einem darüber hinausweisenden, kritischen humanen Impetus lässt sie sich jedoch erkenntnisbildend diskutieren und beantworten. Wer sich der Verwirklichung dieser zivilisatorischen Möglichkeiten couragiert stellt und es besser wissen will, erkennt Seinesgleichen und kann verändernd eingreifen. Die Angstmache verpufft. Heitere Einsicht drängt zur befreienden Tat. Das kulturelle Erbe eröffnet, Geschichte zu machen.
International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Me-Ti sagte: Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht.“
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.
Gesamter Ankündiger: https://schluss-mit-austeritaet.de/event/filmseminar-das-testament-des-dr-mabuse